Apotheke um 1900 – „Kranksein“ im Wandel der Zeit
Vor nicht allzu langer Zeit war die Palette an Arzneimitteln in der Apotheke noch recht überschaubar: Für’s Herz gab es Digitalis, Äther zum Betäuben bei Operationen, Morphium gegen Schmerzen, Jod zum Desinfizieren, Eisen gegen Blutarmut und Chinin gegen Fieber.
Dafür hatte der Apotheker der Jahrhundertwende ein paar trinkfreudige Blutegel hinterm Tresen und ein Sammelsurium an Heilkräutern und -pflanzen, frisch aus der Natur, mit denen sich eine Vielzahl an Leiden lindern ließen. Nicht „auf Knopfdruck“, aber „mit Geduld und Spucke“.
Alles, wogegen sprichwörtlich kein Kraut gewachsen war, mußte man eben aushalten, oder man starb daran, meistens dauerte das auch nicht zu lange. Eine Lungenentzündung – lebensgefährlich. Meningitis? Praktisch keine Chance.
Moderne Medizin rettet heute viele Menschen, eben mal so, ohne dass ihnen klar wird, dass ihre Krankheit sie hundert Jahre vorher mit ziemlicher Sicherheit vom Leben zum Tod befördert hätte, zu einem Zeitpunkt, wo ihr Leben vielleicht gerade richtig anfing. Heute gibt’s ein paar Tage, Wochen oder Monate lang Medikamente und eine Weile danach ist man vollständig wiederhergestellt – das Leben kann noch Jahrzehnte weitergehen. Welch ein Segen!
Und weil viele akute Krankheiten und Infektionen heute nicht mehr tödlich sind, sterben wir eben anders – und wir leben anders in den Jahren und manchmal Jahrzehnten davor.
Krankheiten werden häufig nicht mehr geheilt, sondern „gemanagt“. D.h. wir versuchen, jahrelang die Symptome und Folgen einer Vielzahl von Krankheiten im Rahmen zu halten, die gemeinhin als „unheilbar“, aber „behandelbar“ gelten.
Die Überlebenszeiten nach der Diagnose von Diabetes, von Multipler Sklerose, Parkinson, Herzinsuffizienz haben sich erfreulicherweise stark verlängert und viele Betroffene haben das Glück, dass das Leben auch danach noch lange lebenswert bleibt. Trotzdem: Was danach kommt, sind „DALYs“ – Disability adjusted life years, Jahre, in denen das Leben irgendwie um die Krankheit herum gestaltet werden muss, in denen man Rücksichten nehmen muss auf das, was noch geht, und was nicht. In vielen Fällen gelingt dies ganz gut, doch die meisten chronisch Erkrankten dürften Ottfried Fischer zustimmen, als der im Hinblick auf seine Parkinson-Erkrankung in einem TV-Interview sagte: „Naja, ohne wär’s schöner!“ Es bleiben es chronisch-degenerative Leiden, bei denen jede Chance genutzt werden sollte. Das heißt aber – man muss um seine Chancen wissen!
Die meisten von uns werden alt genug, um „Zivilisationskrankheiten“ zu bekommen, von deren Entstehung im Körper jahrzehntelang nichts zu spüren ist, bis irgendwann der Punkt kommt, wo von einem Tag auf den anderen plötzlich nichts mehr geht, weil ein Schlaganfall Teile des Gehirns oder ein Herzinfarkt Teile des Herzens unbrauchbar gemacht hat. Das Tückische ist, wir merken nicht, dass wir eigentlich gegensteuern müßten. Man lebt so lange „gut“, bis man sehr plötzlich gar nicht mehr „gut“ leben kann.
Genau hier kommt die Ernährungsmedizin ins Spiel. Wo es um chronische Krankheiten, „Volksleiden“ geht, ist sie eine riesige Chance für viele Menschen. Eine Medizin, die uns täglich zur Verfügung steht, jenseits von Chemiecocktails aus der Apotheke, gleichzeitig eine Naturheilkunde jenseits von Glaubensfragen.
Es ist keine Konkurrenz zur „Schulmedizin“ – und dieses Wort ist ausdrücklich nicht despektierlich gemeint! – sondern eine fast immer sinnvolle, ja lebensrettende Ergänzung.