Milch – ein Glaubenskrieg
Wenige Tage nach meinem letzten Post lief auf Arte die Doku „Milch – ein Glaubenskrieg“, die noch einige interessante Aspekte enthielt, welche ich hier gern noch nachliefern möchte.
Milch ist das erste Lebensmittel überhaupt, das Menschen bekommen. Es steht damit symbolisch für Leben, für Wachstum und auch für Natürlichkeit.
Und irgendwie hat die Werbung es geschafft, diese Symbolik auf die heute überall enthaltene und erhältliche Industriemilch zu übertragen.
Dabei unterscheidet sich die heutige Milch durch den Verarbeitungsgrad sehr von der Milch unserer Großeltern. Unter hygienischen Gesichtspunkten mag sie ihr weit überlegen sein, doch damit erschöpfen sich die Vorteile der industriellen Verarbeitung auch schon.
Verträglichkeit: Artgerechte Tierhaltung schmeckt man
Es ist nichts neues, dass die Verträglichkeit einer Milch (für laktoseTOLERANTE Menschen) davon abhängig ist, wie diese Milch sich genau zusammensetzt. Und die Zusammensetzung der Milch wiederum hängt davon ab, wie die Kuh gefüttert wurde.
Noch immer gilt vielen Landwirten der Milchertrag von Kühen als oberste Meßlatte für ihren Erfolg. „Hochleistungskühe“, die durch Züchtung und die Zufütterung großer Mengen Kraftfutter auf maximalen Milchertrag getrimmt sind, haben heute eine erheblich verkürzte Lebensdauer und einen viel höheren Bedarf an Antibiotika – wie bei allen Tieren, die in großen Beständen gehalten werden.
Die Natur sieht allerdings für Kühe kein Kraftfutter vor – sondern ein Leben auf der Weide und das Fressen von Gras.
Das Argument, dass eine Kuh, wenn sie die Auswahl zwischen Kraftfutter und Gras hat, das Kraftfutter wählen würde, hinkt meines Erachtens nach ein wenig. Läßt man einem kleinen Kind die Wahl zwischen einem Schokoriegel und einem Apfel, würden wohl die meisten Kinder auch den Schokoriegel wählen. Würden Sie deshalb ihr Kind mit Schokoriegeln aufziehen???
In der Bio-Haltung nach Demeter-Standards (die Königsklasse unter den sehr unterschiedlichen Biostandards, weil sie auf konsequenter Kreislaufwirtschaft beruht) fressen die Kühe Gras. Und tatsächlich ist die Fettsäurezusammensetzung von Demeter-Milch ganz anders als bei Milch aus konventioneller Landwirtschaft und für den Menschen viel geeigneter.
Milchkonsum und Autoimmunreaktionen
Dr. Maximilian Ledochowski aus Innsbruck zitiert die Nationale Verzehrsstudie und stellt fest, dass die Zufuhr von Milcheiweiß im Kindesalter eine Korrelation mit Diabetes Typ I im Jugendalter aufweist. Wohlgemerkt: Typ 1 ist die autoimmune Form des Diabetes mellitus.
Ob dieser Korrelation auch eine Kausalität zugrunde liegt, bleibt abzuwarten.
Was heute jedoch schon zu sehen ist, ist der starke Anstieg von Autoimmunerkrankungen im Jugendalter: Diabetes, Rheuma, Lupus, chronisch entzündliche Darmerkrankungen.
Jedes Lebensmittel, das wir uns zuführen, hat irgendeine Wirkung auf das Immunsystem, manchmal mehr, manchmal weniger. Vielleicht ist Kuhmilch für ein kindliches Immunsystem, dass noch ständig von Impfungen und Infekten herausgefordert wird und noch im Aufbau ist, der Tropfen, der bei manchen Kindern das Fass zum überlaufen bringt?
Wieviel Wachstum ist gut für uns?
Sehr interessant und auch für mich als Ökotrophologin neu war der Beitrag von Prof. Bodo Melnik (Osnabrück) der seine – zwar umstrittene, gleichwohl einleuchtende – Hypothese zur Milch vorstellte:
„Zivilisationserkrankungen sind aus meiner Sicht Erkrankungen überschießenden Wachstums.“
Klar – niemals teilen sich Zellen schneller, als in der Kindheit, wo der ganze Organismus auf Wachstum ausgelegt ist. Die Zeit vor allem, in der Mütter ihre Kinder stillen. Theorie: Die Milch vermittelt die Stimulation von Wachstum über gleich zwei biochemische Signalsysteme. Sie stimuliert die Bildung des Wachstumsfaktors IGF-1 in der Leber (der einerseits lebensnotwendig ist, in zu großer Menge aber krebserregend wirkt) und erhöht die Expression von Wachstumsgenen.
Soweit, so gut: Aber vielleicht ist es für einen ausgewachsenen Organismus völlig daneben, wenn er ständig Wachstumsanreize bekommt? Melnik bringt Milchkonsum ebenfalls in Verbindung mit Akne, Diabetes, Demenz, Parkinson sowie bestimmten Krebsarten (Stichwort: Mikro-RNA 21 bzw. Oncomir 21).
Andere Ernährungsmediziner berichten von einem Rückgang von Migräneattacken, sobald auf Milchprodukte verzichtet wurde. Tatsache ist: Jede Darmflora ist unterschiedlich – damit verarbeitet jeder Mensch Milch ein bißchen anders.
Probieren geht über Studieren
Ob wir jemals belastbare Studien zu bestimmten Krankheiten und Milchkonsum bekommen, ist fraglich. Wer, der über die nötigen Mittel verfügt, hätte ein Interesse daran, diese zu finanzieren. Also bleibt uns momentan nichts anders übrig, als uns auf die Erfahrung von Ärzten zu verlassen, die sie in ihrer täglichen Praxis machen. Es ist tatsächlich eine Art „Glaubenskrieg“ um die Milch entbrannt. Keiner kann derzeit für sich reklamieren, die Wahrheit gepachtet zu haben. Probieren Sie’s also im Zweifelsfall einfach aus, bei Autoimmunerkrankungen, Allergien, Akne oder Migräne.
Um ihre Knochen müssen Sie dabei wohl keine Angst haben. Aber das ist eine andere Geschichte…